Kritiikki
"Schwäbisches Tagblatt". 1993. 28 August. Germany.
"Wir sprachen mit Wladimir Fomin
Im Zeichen des Steinbocks" - Walter Springer.



"Sie werden sich vor Neid auf die Erde legen, wenn sie davon hören", meint Wladimir Fomin sichtlich erheitert auf die Frage, was denn seine Malerkollegen in Petrosavodsk zu seinem

Ausstellungserfolg in Tübingen sagen werden. Verständlich, denn für die rund 200 Künstler in der Tübingen Partnerstadt am Onegasee sieht die Lage zur Zeit alles andere als rosig aus.

Verständlich auch, wenn man erfährt, da? der Erlös für die zwei Bilder, die der Künstler schon bei der Vernissage in Anton Brenners Nonnenhaus - Kopier - Keller - Galerie verkaufen konnte, mit rund 800 Mark so ungefähr einem durchschnittlichen russischen Jahreseinkommen entspricht.

Weiterer Grund für Ärger könnte noch sein, da? der junge Maler nicht, wie üblich, via Gang durch die Instanzen zu seiner Tübinger Ausstellung gekommen ist, sondern durch die List des West - Ost- Gesellschafters Jörg Bohse, der, angetan von der naiven Frische der Bilder, die Leinwände, zur handlichen Rolle gewikkelt, kurzerhand auf die Reise in den Westen schickte. Auf offiziellem Wege, so betont Fomin, hätte dies, wenn überhaupt, mindestent vier

Monate gedauert. Ein Komitee hätte schie?lich darüber entschieden, ob die Bilder überhaupt wert sind, im Westen gezeigt zu werden. Was wiederum fraglich ist, denn Fomin ist kein Mitglied des offiziellen Verbandes bildender Künstler.

Wladimir Fomin lebt erst seit drei Jahren in Petrosavodsk. 24 Jahre seines Lebens hat er im sibirischen Tomsk verbracht, wo er im Sternzeichen des Steinbocks - das ist neu, so etwas zu erwähnen, meint die russische Übersetzerin - 1963 geboren wurde. In der Schule war er durch seine Zeichnungen aufgefallen. Sein Vater, Mitarbeiter an einem Forschungsinstitut, ermutigte ihn, die Künstlerlaufbahn einzuschlagen, geriet jedoch in Verlegenheit und Rechtfertigungszwang gegenüber seinen Parteigenossen, als der Sohn plötzlich moderne

Interpretationen von Ikonen auf einer Ausstellung zeigte.

Warum ihn die Kunstakademie von Ivanowo trotz bester Noten schlie?lich nicht aufgenommen hat, wei? Fomin bis heute nicht. Und so erzählt er schmunzelnd die Geschichte seines Vorbilds, des Naiven Tschestjakov, dem der ehrwürdige Ilija Repin beim Vorstellungsgespräch in der Petersburger Akademie riet, in sein Dorf zurückzukehren und dort unbeirrt weiterzumalen - "denn in der Akademie werden Sie das alles verlernen".

Wie Fomin schlie?lich doch noch zu einer künstlerischen Ausbildung kam, könnte eine Geschichte aus seinen eigenen Bildern sein: Nach seiner Ablehnung von Ivanow erzählte ein Passant dem enttäuschten jungen Maler von einer Schule für Metallkunst in Kostroma. Noch in derselben sternenklaren Nacht machte sich Fomin auf den Weg, wanderte 40 Kilometer durch Wälder mit Wölfen, Bären und Elchen, schlief auf der Schwelle der Schule, und wurde am nächsten Tag - zufällig begann eine neue Klasse - von der Direktorin ohne weitere Prüfung freundlich aufgenommen.

Fomin versucht in seinen Bildern ein Stück jener russischen Tradition zurückzuholen, die schon zu Jahrhundertbeginn von der russischen Avantgarde in ihrem Kampf gegen den Akademismus begeistert ins Feld geführt wurde, während der Stalinismus in der Kunst jedoch rasch an Bedeutung verlor: die russische Volkskunst. All die üppig verzierten Spielsachen, Stickereien und Ladenschilder, besonders aber die Lubki, jene bunten Volksliederbögen, die seit dem 17. Jahrhundert von wandernden Händlern auf dem Lande verbreitet wurden. Diese kolorierten Holzschnitte zeigen volkstümliche, derbe und lustige Szenen, in kräftigen Farben, naive Raumvorstellungen und eine sichtliche Freude am Ornament.

Kandinsky, Chagall, Michail Larionow und die Gonscharowa besa?en Lubki - Sammlungen und lie?en sich vom Lubok - so die Einzahl - zu ihren neo-primitivistischen Bildern inspirieren.

Doch Fomin hat seine eigenen Vorstellungen, wie er die Tradition des Lubok weiterentwickeln will: hin zum Surrealismus etwa, oder, und dazu möchte man ihm dann doch lieber raten, in Richtung der analztishen Malerei Pavel Filonovs, der 1941 verhungert und on Vergessenheit geraten war, dessen kaleidoskophafte Bilder, 1988 wiederentdeckt, zu einem der kulturellen Höhepunkte der Perestroika-Ereignisse wurden. In Auktionshäusern des Westens spielen sie mittlerweile Beträge ein, von denen 50 Petrosavodsker Künstler bequem ein Jahr (über)leben und arbeiten könnten.

Doch solch astronomisch spekulative Berechnungen liegen Wladimir Fomin fern. Er mu? sich in diesen schweren Zeiten mit einem Nebenjob als Hausmann über Wasser halten:"Wenn meine Frau heimkommt, steht das Abendessen auf dem Tisch."


Vladimir Fomin
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