Entwicklung und Nomenklatur der Sowjetischen (Radio) Röhren

In der Anfangszeit wurden Sende- und Empfangsröhren in der Sowjetunion einfach nur Kathode oder Vakuum Relais genannt. 

Die ersten russischen Massen-Röhren sind 1918 in den Funktechnik Laboratorien der Stadt Nishni Novgorod (ehem. Gorky ~ 300km östlich von Moskau - bekannt auch in Verbindung mit dem GAZ Autokombinat) unter der Leitung von M.A. Bonch-Brouyevich (auf Basis des ersten Modells  - der  "Babuschka" –Grossmutter-Röhre) mit der Bezeichnung „PR-1“ ("Pustotnoe rele“ - Vakuum Relais, Modell Nr. 1 ) entwickelt worden.

Die Bezeichnung der 1922 von den Petrograder Elektro-Vakuum Werken produzierten „R5“ Röhre bedeutet: „Relais Model Nr. 5“.

Eine neue Röhre unter der Bezeichnung "Mikro" mit Thorium Kathode wurde 1923 gefertigt, und benötigte nur mehr 1/10 des Heizstromes der „R-5“ Roehre.

Ebenfalls mit sparsamer Heizung, gab es eine 2 Gitter Röhre mit „Kathoden-Gitter“ unter der Bezeichnung MDS („Mikro Dvuchsetka" Mikro Doppel-Gitter). 

Der erste mit niedriger Heizleistung auskommende Vakuum- Gleichrichterröhre erhielt die Bezeichnung „K2-T“ („Kenotron Dvuchanodnyj“- Gleichrichter mit 2 Anoden und einer Thorium Kathode).

Mit dem Jahr 1929 stieg die Zahl der Variationen an Röhren stark an, was die Einführung eines neuen System zur Katalogisierung erforderlich machte.


Ein Buchstaben- und Zahlen System wurde zur Kennzeichnung eingesetzt, welches bis in die frühen 40er Jahre gültig blieb.

Der erste Buchstabe in der Röhren Markierung bezeichnet die Kategorie :

„P“ – „Priemnaja“ - Empfang

„U“ – „Usilitelnaja“ - Verstärkung

„S“ -   Spezial

„V“ -  „Vylrjamitelnaja“ - Gleichrichtung

„T“  -  „Transljanonnaja“ - Senden

„N“  - „Nizkochastotnaja“ - Nieder Frequenz

 

Der 2. Buchstabe bezeichnet das Kathodenmaterial 

„T“ -  „Torirovannyj“ - Thorium 

“K“ – „Karbidirovannyj“ - Kohlenfaden

“B” -   Barium

„O” - „Oksidirovannyj“ – Oxid

In Übereinstimmung zu obigen System wurden die Röhren „R-5“ ,Micro“, “MDS“, „PT-19“ und „KT2“ unter den Bezeichnungen „P-7“, „PT-2“, „ST-6“, “ST-19“ und „VT-14“ (gemäß kyrillischer Übersetzung) neukatalogisiert:

In den frühen 30ern erschien eine Serie von sparsamen 2 und 4 Volt direkt geheizten Glasröhren („UB-107“, „UB-110“ „SB-154“ etc.).

Dementsprechend waren Radioempfänger die obige Typen eingesetzt hatten batteriegespeist. 

Von 1935 ab gab es indirekt geheizte Glasröhren der sogenannten „4V Super Serie“, welche in Folge in netzgespeisten direkt verstärkenden Radio Geräten („E4S“, „EKL“) und in den ersten Sowjetischen „Superhets“ („TsRL“) zum Einsatz kamen.

1931 wurde in dieser Serie die erste Sowjet - Pentode „SO-113“ produziert.

Der Hauptnachteil dieses Markierung Systems war, das es die Zahl der Systeme nur sehr ungefähr angeben konnte.

1937 begann unsere Elektro-Vakuum Industrie die Massenproduktion einer völlig neuen Röhrentype.

Gemäß den zeitgenössischen amerikanischen Vorbildern (6A8, 6Q7, 6J7, 6K7, 6L7, 6F5, 6F6, 6C5, 6H6, 5Z4, 6E5) erschienen Metall-Röhren der Typen: „6A8“, „6G7“, „6J7“, „6K7“, „6L7“, „6F5“, „6F6“, „6S5“, „6X6“, „5C4“ sowie die Glas Anzeige Röhre (Magisches Auge) „6E5“.

Später wurde die Metallröhre „6L6“ (russische Niederfrequenz Leistungs Tetrode) und die Glas Ausführung der „5Z4“ und „6L6“ Röhre gefertigt, und noch später erschienen dann von vielen Metallröhren billigere Glasausführungen.

Das Kennzeichnungssystem dieser Röhren war um einiges genauer als das von 1929.

Die Röhrentypenangabe war kompakter, und deren Eigenschaften und Einsatzbestimmung war exakter definiert.

Wir sollten beachten, das auch dieses letzte System zur Röhrenkennzeichnung nicht immer gleichbleibend konstant war.

Zum Beispiel: Ein und der selbe Buchstabe " F " wurde verwendet um eine Hochleistungs Triode und eine Niederfrequenz Ausgangs Pentode zu Typisieren („6F5“ und „6F6“).

Anfänglich zeigte die dritte Stelle in der Markierung die Zahl der Anschlusskontakte  (einschließlich des Heizfadens und der Abschirmung). 

Dies behinderte jedoch das Kennzeichnen von neuen Röhren, welche mit gleicher Elektroden Anzahl den früheren Typen ähnlich waren.

Und so wurde1940 ein neuer Katalogschlüssel zur Kennzeichnung von Radioröhren ausgearbeitet, der diesen Nachteil beseitigte. 

Die meisten Parameter dieses Systems waren nah angepasst an den international in Verwendung stehenden:

Das erste Zeichen zeigte die ungefähre Heizspannung an, das zweite Zeichen beschrieb den grundlegenden Zweck der Röhre oder seinen Aufbau.

Das Zeichen an der dritten Stelle hatte keine spezielle Bedeutung, und diente in Folge zur Unterscheidung von Röhren der selben Bauart und des selben Verwendungszweckes.

Zur Beschreibung der äußeren Bauform der Röhren (ausgenommen der üblichen Metall-Röhren) wurde ein anderes Zeichen hinzugefügt:   

"C" –  „Stekljannaja obyunych razmerov“ für Glasröhren der Standard Größe,

"M" – „Stekljannaja malogabaritnaja“ für Glasröhren der Minigrößen,

"Æ“ (sch)  – „Stekljannaja tipa sholud“ für Glasröhren in Eichel-Bauform etc.

In Übereinstimmung mit dem neuen Kennzeichnungssystem, erhielten einige Röhren eine neue Bezeichnung. (Vereinzelt liefen 1938 die Minigrößen der  Glasröhren aus)

Zum Beispiel wurden die Röhre „SB-242“ zur „2A1M“ und die „SO-241“ zur „2K1M“ umbenannt.

Jedoch ist die neue Kennzeichnung nicht generell übergenommen worden, da die Radio-Werke immer noch die Fertigung von Röhren nach dem alten System fortführten.

Lediglich die Mini-Röhren der späteren Bauart („2K2M“, „2J2M“) wurden gemäß der neuen Art und Weise gekennzeichnet.

Aufgrund dessen, das noch viele Geräte mit den alten 4 Volt Glass Röhren in Einsatz standen, produzierte unsere Industrie für einen gewissen Zeitraum solche Röhrentypen als Ersatz. Die Ersatzröhren hießen: „4N4S“ (für die „SO-118“) „4F5S„ (für „SO-122“) „4J5S“ (für „SO-124“)

Der innere Röhrenaufbau der „6N7S“ (eine Triode), „6F6“ ,“6J7“ und der „6K7“ wurden in den Ersatztypen verwendet.

Die elektrischen Daten (ausgenommen die der Heizspannung) und der Sockel waren ident mit den alten Röhren. Solche Röhren sind heute sehr selten.

Nach dem Krieg, 1946/47 ist die Metallserie um eine entscheidende Anzahl weiterer Röhrentypen vergrößert worden.

Insbesondere erschienen die eben produzierten sogenannten "Single Base“ – „Einseitig Gesockelten“ Röhren, die den amerikanischen „6SA7“, „6SK7“, „6SQ7“ und später den „6SR7“ und der „6SJ7“ähnlich waren.

Diese hatten keinen Steuergitteranschluss auf der oberen Kappe mehr wie bisher, dennoch wurde durch besonderen Aufbau die interne Elektrodenkapazität nicht erhöht.

Der Buchstabe „S“ in der 2. Position des Markierungssystems stand für „Single Base“ – einseitig Gesockelt.

In den ersten Jahren sind diese Röhren mit ihrer dem Herstellungsland üblichen Kennzeichnungsvorschrift gefertigt worden, später jedoch (nach kyrillischer Übersetzung) als Typen: „6A7“, „6K3“, „6G2“, „6J8“ Bezeichnet worden.

In der Sammlung des Autors befinden sich lateinisch gekennzeichnete Röhren der späten 40er Jahre und eine Sowjet-Röhre der gleichen Periode „6V6-GT„ dem Vorfahren der gut bekannten Niederfrequenz Ausgangs Tetrode „6P6S“ (Russisch).

Die „legendäre“ 6P3S Röhre erhielt einige in der historischen Entwicklung untergegangene Modifikationen.

Ihre Geschichte beginnt 1937 mit der Metallröhre „6L6“ (Russisch). Die erste Version der sowjetischen in Glastechnik gefertigten „6L6“ Röhre, war wegen Überhitzung aufgrund der unterdimensionierten Größe nicht gerade gut..

Die Röhre „6P3“ (Russisch/ Glasröhre, wenngleich kein “S” am Ende der Typenbezeichnung) wurde in den frühen 50er Jahren produziert, und zeigte nicht die geforderte Qualität. Erst Mitte der 50er Jahre konnte Ihre Konstruktion verbessert werden.

Das war dann jetzt die „Klassische“ „6P3S“. Sie wird mit leichten Verbesserungen bis heute gefertigt, und beschließt deren Entwicklung durch die Herstellung der „6P3S –E“; einer auch von HIFI- Enthusiasten sehr geschätzten Röhre.

Die direkt geheizte Zwei-Anoden Gleichrichterröhre „5C3S“ hat ebenfalls eine lange Geschichte.
Dazu sind als deren beiden Vorgänger Typen zu nennen: Die alte Deutsche Röhre der Nummern Serie „RGN 1064“ und unsere „VO-166“.

Bauähnliche Röhren existierten dann in der Europäischen “A” Serie („AZ1“) wie auch in den USA („5U4G“, „RCA8“)

Als dann 1950 der GOST – 5461-50 Standard (GOST- Sowjetisches Normungsgremium; Vergleichbar mit DIN oder ISO) in der UdSSR eingeführt wurde, zeigte sich das erstellte System zur Radio Röhren Kennzeichnung als Ausgereift.

Die Grundregeln der Klassifikation blieben meistens dieselben. Ebenfalls ist die Kennzeichnung der neuen Röhrenbauformen („Finger-Shape“ - Finger-Bauform) usw. bereits im obenerwähnten Standard berücksichtigt worden.

 

(c) V.Brousnikin, 11/2001 in das Deutsche Übertragen W. Scheida    teacher@psychoserve.com